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Wolfgang Kowatsch

Kowa

Wolfgang Kowatsch
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Eine Ehrung von Ron Simmonds

März 2005
Kowa,so nannten ihn seine Musikerkollegen.Wolfgang war viele Jahre lang Pianist, Akkordeonist, Komponist, Arrangeur und Dirigent des saarländischen Rundfunktanzorchesters in Deutschland. Ich habe den Vorzug und die Ehre, etwa 20 Jahre lang mit ihm in dieser band gespielt zu haben.

Nun ist er gegangen und lässt seine Frau Gisela, seine Familie und viele, viele Musiker zurück, die den Mann kannten, mochten und zutiefst respektierten.

Wofgang – so werde ich ihn nennen – war ein Mann mit vielen Talenten.Während der letzten 10 Jahre im Leben dieser Radio-band – bevor man sie kalt stellte – leiteten er und ich sämtliche Aufnahmesitzungen. Wir waren die Arrangeure, und wer immer die Partitur geschrieben hatte, leitete die band. Aber er leitete dort noch eine zweite band.

Die nannte sich „Die Halberger Musikanten“, bestand mehr oder weniger aus den selben Leuten, aber wir spielten deutsche Volksmusik, speziell arrangiert von Wolfgang, keineswegs humba- humba, sondern sehr schwungvoll, und oft knifflig zu spielen. Wir tourten mit dieser Musik durchs Saarland und spielten gewöhnlich vor vollen Häusern. In einem Jahr wurden wir sogar in Berlin auf der Funk-Ausstellung gefeatured. Eine seltene Ehre.

Auch spielten wir sehr oft in der Fernseh-Show „Im Krug zum grünen Kranze“. Alle waren in bayrischer Tracht, es gab böhmiche Kapellen von überall her, auch einige aus Ungarn, und viel ländliches Getanze und Gejodel, wir waren die Haus-band.

Die Leute waren begeistert. Ich fuhr regelmässig tief ins benachbarte Frankreich hinein zu meinem Lieblingsrestaurant, dem „Auberge du Cheval Blanc“ in Lemberg und wurde dort stets als Berühmtheit behandelt – nicht wegen meiner früheren Karriere als bigband-Trompeter, sondern weil jedermann mich von besagter Fernseh-Show kannte. Die Kellner wollten sogar mein Autogramm.

Wolfgang schrieb all die Musik für diese Konzerte und Shows und spielte darin oft Akkordeon. Während der Aufnahmesitzungen und Proben liess er sich derart mitreissen, dass sein Bart des Öfteren zwischen die Bälge geriet, was dann der Aufnahme ein oder zwei Schmerzenslaute hinzufügte.

Wolfgang hatte einen Bobtail-Hund,der Buddy Rich hiess und genau aussah, wie er, Wolfgang, nicht Buddy.

Eines Tages erzählte er mir mit todernstem Gesicht, er habe einmal ein Klavier versenkt, das ihm auf die Nerven ging. Er hatte am Bodensee einen grossen Katamaran liegen, in dessen Kabine ein Kleinklavier stand. Im Sommer pflegte er oft mit Musikerfreunden zur Mitte des Sees zu segeln und eine Party zu schmeissen wobei das Klavier mit fortschreitender Nacht und sich leerenden Flaschen bei der Unterhaltung eine immer grössere Rolle spielte.

Nach einigen Jahren ständigen Feuchtseins - äusserlich durch überschwappendes Wasser, innen durch hineinlaufendes Bier verursacht, gingen viele Töne verloren und das Piano wurde fürchterlich verstimmt.

„Ich würde dieses Klavier am liebsten umbringen“, brummte er eines Abends ärgerlich und frustriert. Dann machte jemand den Vorschlag, es zu versenken, und so wuchteten sie, als es dunkel war, das Klavier hoch und warfen es über Bord.

Feierlich sahen sie zu, wie es langsam ausser Sicht kam und in den tiefen Fluten des Bodensees versank, für immer dahin. Ein paar Minuten später sahen sie es langsam wieder hochkommen.

„Ach“, sagte Wolfgang, “hier können wir es nicht lassen, da könnte ein Schiff hineinfahren“. So nahmen sie es, nicht ohne Schwierigkeiten, ins Schlepptau und zogen es zurück aufs Festland, wo man es am Kai stehen liess. Von dort verschwand es in der selben Nacht spurlos.

Es gibt auch eine Story aus der Zeit, als Wolfgang in seine Tierhandlung ging, um Vogelfutter zu kaufen, und mit einem Esel nach Hause kam. Er behielt ihn ein paar Tage, und nur, weil der Esel Tag und Nacht schrie, brachte er ihn zurück in den Laden.

An seinem sechzigsten Geburtstag gab er eine Party in einer Kneipe in seiner Heimatstadt Neunkirchen. Die meisten Kumpels brachten ihre Instrumente mit, und es gab an diesem Abend viel Spass und eine ganze Menge Jazz.

Zu meiner Überraschung waren ein ganzer Haufen Zigeunermusiker da, lauter Freunde von Wolfgang. Während die band spielte, sass ich mit Annie, der Frau von Eberhard Pokorny, unserem Posaunisten, an einem der langen Tische, als einer der Zigeuner herüber kam und sich zu uns setzte. Es war ein grosser, dunkelhäutiger Mann, offensichtlich stark wie ein Ochse, sehr gut aussehend mit einem enormen Schnurrbart, einem goldenen Ohrring und Fingern, die von Diamantringen strotzten. Es war von Anfang an klar, dass er ein Auge auf Annie geworfen und sich wahnsinnig in sie verknallt hatte.

Annie, die damals etwa 60 und ihr Leben lang mit Eberhard verheiratet war, merkte dies sofort, und als er leidenschaftlich nach ihrer Hand griff, stiess sie einen weinerlichen Laut aus und rollte Hilfe heischend die Augen in meine Richtung.

Tapfer, wie ich bin, liess ich mich nicht auf eine Keilerei mit dem Zigeunerkönig ein, der genug Kameraden dabei hatte um den Laden kurz und klein zu hauen, sondern fasste Annie um die Taille, zog sie von ihm weg und begann mit ihr herum zu schwoofen. Sie war zu überrascht um sich zu wehren. Keiner von uns beiden war ein besonders guter Tänzer, und da wir die Einzigen auf der Tanzfläche waren, muss es ziemlich seltsam ausgesehen haben. Wir segelten ein paar mal an der band vorbei und machten in Richtung auf Eberhard, der mitten in einem Solo war, ein grosses Hallo. Als wir zum Tisch zurück kamen war der Zigeuner fort.

„Hier bist Du wieder“,sagte ich. „Er wollte Dir nur aus der Hand lesen“.

Ich glaube, Wolfgang hatte ganz schön Schwierigkeiten mit mir, als ich frisch zur band stiess. Neunkirchen, obwohl technisch gesehen im Saarland gelegen, hatte traditionsgemäss zeitweise zu Niederbayern gehört und die Leute dort sprachen einen sehr vertrackten bayerischen Dialekt. Ich hatte schon ein paar Jahre in München gelebt, aber diese Variante war für mich ziemlich unverständlich, sodass wir manchmal unsere liebe Not hatten, bis ich kapierte, wovon er redete. Aber er hatte eine Engelsgeduld und verlor niemals die Nerven, selbst wenn die Dinge wirklich verzwickt wurden. Ein liebenswerter, ruhiger Mann. Mit Ausnahme eines einzigen Mals, als ich die ganze band mit Frauen zu mir nach Hause einlud, um meinen Geburtstag zu feiern.

Der Grubendirektor mit seiner Frau war da, ein Staatssekretär mit seiner Frau, ein Radiosprecher mit seiner Freundin, der Sekretärin des Intendanten, und mein Vermieter mit seiner Frau. Jedes dieser vier Paare hatte, bevor sie ankamen, einen gepfefferten Hauskrach gehabt, und die Partner schwiegen sich an. Als wir alle so einen bis drei drinks intus hatten, zogen die Frauen sich ins Schlafzimmer zurück, setzten sich dort hin und heulten. In der Zwischenzeit brannte der Direktor, während er den Kollegen gross und breit erklärte, sie müssten das band-Geschäft führen, wie er seine Kohlengruben, ein enormes Loch in unsere neue Couch, wobei er mit keiner Wimper zuckte. Ein paar von den band-Frauen schmauchten derweil die Hälfte einer meiner Havanna-Zigarren, ehe sie hastig das Bad aufsuchten.

Es ist eine Katastrophe, dachte ich, und legte eine richtig laute Rob McConnell Kassette auf, um die Dinge wieder in Schwung zu bringen. Plötzlich schnellte Wolfgang empor und startete einen verrückten Boogie durchs ganze Zimmer, wobei er gekonnt den Möbeln, Blumenvasen und unserem besten Porzellan auswich. Er arbeitete mit den Ellbogen, pumpte mit den Beinen, lachte irre, arbeitete wild weiter, mit voller Hingabe.

Er sah genau wie der bärtige Typ in Chaplins „Gold Rush“ aus, wie er um Mitternacht eine verrückte Sohle aufs Parkett legt, um das neue Jahr zu feiern, und jeder im Raum ist hin und weg. Ich glaube nicht, dass irgend jemand ihn vorher so erlebt hat. Annie und Gisela lachten so sehr, dass ich glaubte, sie würden vor Lachen platzen.

Danach war alles ein grosser Spass. Es war immer ein grosser Spass mit Wolfgang. Er war ein begabter Musiker, ein grosser Pianist, ein guter Freund und Kollege, ein liebenswerter Mann.

Gesegnet seist Du, Wolfgang, dafür, dass Du so viel Sonne in unser Leben brachtest. Du wirst stets einen Platz in unseren Herzen haben.

Ubersetzung von Peter Bauer

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